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Essener Laiendarsteller überzeugen in der Performance "Still Lives" bei Pact Zollverein. Ungewöhnlicher Soundtrack erheitert das Premierenpublikum Selten ist während einer Tanzpremiere bei Pact Zollverein so viel gelacht worden, war die Stimmung im Publikum schon im Vorfeld so ausgelassen. Das bedeutet aber nicht, dass die Performance "Still Lives" keine Substanz hätte, im Gegenteil: Es geht es um Körper, soziale Kontexte und unterschiedliche Formen der Wahrnehmung. Das Konzept von Isabelle Schad, Frédéric Gies, Manuel Pelmus und Bruno Pocheron ist ebenso ungewöhnlich wie originell: Mit Essener Laiendarstellern haben die Choreografen in knapp zwei Wochen eine Performance erarbeitet, die auf einem Bild namens "The Stumbling Block" basiert, einer Fotomontage über das moderne Großstadtleben von Jeff Wall. Niemand bekommt das eigentliche Bild während der Vorstellung zu sehen - die Zuschauer sind auf Beschreibungen aus dem Off und auf die Darstellungen der Tänzer angewiesen. Und die machen ihre Sache richtig gut. Da scheinen zunächst 25 Leute kreuz und quer durcheinander zu rennen, doch bei genauerem Hinsehen wirkt das Ganze doch geordnet und enorm ausdrucksstark - egal, ob die Darsteller joggen oder schlendern, wie in Zeitlupe auf den Boden sinken oder mit Blicken einen unsichtbaren Punkt oder Partner fixieren. So bekommt das Chaos Kontur, wirken die Bewegungen nie beliebig, sondern immer präzise durchchoreografiert. Körperspannung und Präsenz der 20- bis 80-jährigen Laiendarsteller sind dabei erstaunlich, wenn man die kurze Probenzeit bedenkt. Es ist der ungewöhnliche "Soundtrack", der in "Still Lives" zuweilen erheitert: Stimmen von Essener Bürgern, die Jeff Walls Fotografie beschreiben - und dabei eine Menge über sich selbst erzählen. "Ja, geil, in so einer Situation würd´ ich mich auch wohl fühlen", sagt etwa ein junger Mann enthusiastisch. Ein etwas älterer, unüberhörbar aus dem Ruhrpott, bemerkt: "Dieser Mann da vorne ist ein komischer Vogel. Der grinst ja nur. So eine Unverschämtheit." Die Interviews sind sympathisch, direkt und schonungslos ehrlich. Das kommt gut an beim Publikum. Betroffenes Schweigen dagegen, als ein Obdachloser von seiner Zeit "auf der Platte" erzählt. Dass die Leute vorbeigelaufen seien, ohne sich für einen Menschen zu interessieren, der auf der Straße lag. Nicht nur von der Wall-Fotografie erhält der Zuschauer so in "Still Lives" eine überraschend präzise Beschreibung, sondern auch von den Menschen in dieser Stadt, ihrer Lebenswelt, ihren unterschiedlichen Formen der Wahrnehmung. So ist "Still Lives" auch eine Art Gesellschaftsstudie - eine Performance über Essen. | |
29.01.2007 Von Sonja Mersch |
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