07.05.2008, Märkische Allgemeine
BEWEGUNGSKUNST: Bilder einer Stadt
Das Tanzprojekt „Still Lives“ eröffnet die 18. Tanztage der Fabrik
Ein Foto wandert durch Potsdam. Vor dem Supermarkt, an der Bushaltestelle oder im Park kann man ihm begegnen. Es ist der Anker, den ein ungewöhnliches Tanzprojekt schon in einer Vielzahl europäischer Städte ausgeworfen hat: die immer gleiche Fotografie. Passanten auf der Straße werden gebeten, sie zu beschreiben. Das Bild stammt von dem Bildenden Künstler Jeff Wall, der bekannt ist für aufwändige, hyperrealistische Foto-Inszenierungen. Das Motiv ist auf den ersten Blick einfach eine Straßenszene. Eine Frau stolpert auf dem Gehsteig über einen Mann, der am Boden liegt. Im Hintergrund sieht man Hochhaus-Fassaden. Erst bei näherer Betrachtung schleicht sich Irritation ein. Warum trägt der Mann eine Rüstung mit Helm? Und was denkt sich der Japaner im Anzug?
„Still Lives“, nach der Idee des Künstler-Kollektivs Good Work aus Berlin, hört genau hin, wenn die Menschen in Essen, Halle, Bukarest, Berlin, Lille oder Antwerpen sagen, was sie sehen. Denn sie erzählen dabei erstaunlich viel über sich, über ihre Sicht der Welt, die eigenen Lebensumstände. Am Ende finden sich ihre Stimmen als Soundtrack auf der Bühne wieder. Der andere Teil ist eine mit einfachen Elementen auskommende Choreografie mit Laien aus der jeweiligen Stadt, die sich zu einem zehntägigen Workshop mit den Initiatoren Frédéric Gies, Manuel Pelmus, Bruno Pocheron und Isabelle Schad melden.
Zwanzig Potsdamer haben sich auf dieses Experiment eingelassen, viele davon ohne bisherige Berührungspunkte zu Tanz oder Theater. Sie setzen sich im Stück zu Jeff Walls Fotografie in Beziehung oder vielmehr den Versionen davon, die aus den Beschreibungen der Potsdamer Passanten im Kopf jedes Zuschauers entstehen. Sie gehen, begegnen einander, fallen, verdichten und zerstreuen sich in der Weite der Bühne. Eine Altersbegrenzung gibt es nicht. Im Gegenteil: Je breiter das Spektrum der Teilnehmer, desto vielgestaltiger am Ende das Porträt einer Stadt und ihrer Bewohner. Denn das ist es, was bei „Still Lives“ angenehm unaufdringlich immer wieder entsteht. Diesmal also in, von und mit Potsdam. Mit der Uraufführung von „Still Lives – Potsdam“ machen die 18. Potsdamer Tanztage sich und ihrem Publikum gleich zur Eröffnung ein echtes Geschenk. Das ist nicht nur eine Premiere, sondern im besten Sinn ortspezifische choreografische Maßarbeit. Eine Kreation für die Stadt, die nach dem Festivalauftakt am kommenden Mittwoch am Freitag ein zweites Mal zu sehen sein wird.
Ansonsten hat Kurator Sven Till wieder ein Programm zusammengestellt, das dem Erfolgsrezept der Tanztage folgt: Möglichst vielgestaltige Stücke und Künstler abseits der Spielpläne der großen Tanzhäuser und des Wohlbekannten zu zeigen. Da gibt
es zum Beispiel die tänzerische Bearbeitung eines Fußball-WM-Halbfinales BRD-Frankreich von 1982 durch den Choreografen Pierre Rigal, der selbst eine bewegte Vergangenheit als Sprinter, Mathematik- und Wirtschaftsstudent hat (17. Mai). Oder die um drei Empfehlungen im Abendprogramm erweiterten Kinder- und Jugendtanztage mit einem ganztätigen Programm am Sonntag, den 18. Mai.
18. Tanztage vom 14. bis 25. Mai in der Fabrik, Schiffbauergasse 10, 24 09 23, www.fabrikpotsdam.de (Von Constanze Klementz)
BEWEGUNGSKUNST: Bilder einer Stadt
Das Tanzprojekt „Still Lives“ eröffnet die 18. Tanztage der Fabrik
Ein Foto wandert durch Potsdam. Vor dem Supermarkt, an der Bushaltestelle oder im Park kann man ihm begegnen. Es ist der Anker, den ein ungewöhnliches Tanzprojekt schon in einer Vielzahl europäischer Städte ausgeworfen hat: die immer gleiche Fotografie. Passanten auf der Straße werden gebeten, sie zu beschreiben. Das Bild stammt von dem Bildenden Künstler Jeff Wall, der bekannt ist für aufwändige, hyperrealistische Foto-Inszenierungen. Das Motiv ist auf den ersten Blick einfach eine Straßenszene. Eine Frau stolpert auf dem Gehsteig über einen Mann, der am Boden liegt. Im Hintergrund sieht man Hochhaus-Fassaden. Erst bei näherer Betrachtung schleicht sich Irritation ein. Warum trägt der Mann eine Rüstung mit Helm? Und was denkt sich der Japaner im Anzug?
„Still Lives“, nach der Idee des Künstler-Kollektivs Good Work aus Berlin, hört genau hin, wenn die Menschen in Essen, Halle, Bukarest, Berlin, Lille oder Antwerpen sagen, was sie sehen. Denn sie erzählen dabei erstaunlich viel über sich, über ihre Sicht der Welt, die eigenen Lebensumstände. Am Ende finden sich ihre Stimmen als Soundtrack auf der Bühne wieder. Der andere Teil ist eine mit einfachen Elementen auskommende Choreografie mit Laien aus der jeweiligen Stadt, die sich zu einem zehntägigen Workshop mit den Initiatoren Frédéric Gies, Manuel Pelmus, Bruno Pocheron und Isabelle Schad melden.
Zwanzig Potsdamer haben sich auf dieses Experiment eingelassen, viele davon ohne bisherige Berührungspunkte zu Tanz oder Theater. Sie setzen sich im Stück zu Jeff Walls Fotografie in Beziehung oder vielmehr den Versionen davon, die aus den Beschreibungen der Potsdamer Passanten im Kopf jedes Zuschauers entstehen. Sie gehen, begegnen einander, fallen, verdichten und zerstreuen sich in der Weite der Bühne. Eine Altersbegrenzung gibt es nicht. Im Gegenteil: Je breiter das Spektrum der Teilnehmer, desto vielgestaltiger am Ende das Porträt einer Stadt und ihrer Bewohner. Denn das ist es, was bei „Still Lives“ angenehm unaufdringlich immer wieder entsteht. Diesmal also in, von und mit Potsdam. Mit der Uraufführung von „Still Lives – Potsdam“ machen die 18. Potsdamer Tanztage sich und ihrem Publikum gleich zur Eröffnung ein echtes Geschenk. Das ist nicht nur eine Premiere, sondern im besten Sinn ortspezifische choreografische Maßarbeit. Eine Kreation für die Stadt, die nach dem Festivalauftakt am kommenden Mittwoch am Freitag ein zweites Mal zu sehen sein wird.
Ansonsten hat Kurator Sven Till wieder ein Programm zusammengestellt, das dem Erfolgsrezept der Tanztage folgt: Möglichst vielgestaltige Stücke und Künstler abseits der Spielpläne der großen Tanzhäuser und des Wohlbekannten zu zeigen. Da gibt
es zum Beispiel die tänzerische Bearbeitung eines Fußball-WM-Halbfinales BRD-Frankreich von 1982 durch den Choreografen Pierre Rigal, der selbst eine bewegte Vergangenheit als Sprinter, Mathematik- und Wirtschaftsstudent hat (17. Mai). Oder die um drei Empfehlungen im Abendprogramm erweiterten Kinder- und Jugendtanztage mit einem ganztätigen Programm am Sonntag, den 18. Mai.
18. Tanztage vom 14. bis 25. Mai in der Fabrik, Schiffbauergasse 10, 24 09 23, www.fabrikpotsdam.de (Von Constanze Klementz)
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