Saturday, May 17, 2008

Märkische Allgemeine, 16.05.2008


PERFORMANCE: Und sie bewegt sich doch

Die Gruppe Good Work und 40 Potsdamer Amateurtänzer eröffneten mit „Still lives“ die 18. Potsdamer Tanztage

POTSDAM / BERLINER VORSTADT - Sie kamen von links und von rechts und legten sich einfach auf den Bühnenboden. 40 Potsdamer Amateur-Tänzer waren an der Produktion „Still lives“ (Stillleben) beteiligt, die mit großer Zuschauerresonanz und jeder Menge Prominenz am Mittwochabend in der Fabrik die 18. Potsdamer Tanztage eröffnete.

Das Motto „Tanz berührt die Stadt“ wurde bei diesem Eröffnungsprojekt der Gruppe Good Work sehr ernst genommen: Nicht nur, dass die 40 Teilnehmer, darunter auch Kinder, eine ganze Stunde lang eine beeindruckende Köperchoreographie vorführten, vorher schon waren die Projektinitiatoren mit dem Foto von Jeff Wall „The stumbling block“ (etwa: das stolpernde Viertel) und einem Aufnahmegerät durch die Stadt gezogen. Sie haben Passanten gebeten, das Bild und ihre Emotionen beim Schauen zu beschreiben. Die Aussagen wurden – teilweise auch auf der großen Leinwand transkribiert – zu der Performance geschaltet. Allerdings gab es eine große Leerstelle: Das Foto, das die Stimmen aus dem Off beschrieben, war nie zu sehen. So hatte die Fantasie der Zuschauer einiges zu tun und sich selbst das Bild vorzustellen, auf dem offenbar eine junge Frau über eine Art Skateboarder fällt und ein Mann im Anzug auf der Straße hockt. Passanten gehen unberührt vorüber.

Man konnte den Gedanken der Interpreten beim Entstehen folgen und die Mühen der Betrachter nach einer genauen Aussage mitvollziehen. Oft aber war klar, dass die Befragten aus ihrer jeweiligen Situation interpretierten. Während es Aussagen über die Gefühlskälte unserer Welt gab, suchten andere nach einer genauen Bestimmung der Stadt, in der die Szene spielt: „Nee, Potsdam is det nich“, war da zu hören, wieder andere freuten sich über die offene Haltung der Abgelichteten. Viele irritierte die Frage, ob es nun ein gestelltes oder ein natürliches Foto sei – und die meisten kamen zu dem Schluss, dass es sich hier um eine Inszenierung handelt.

Ganz bestimmt war die Choreographie mit den Amateurtänzern inszeniert, und es ist erstaunlich zu sehen, wie eine Menge Körper, die gehen oder sitzen, die sich beugen oder liegen, zum lebendigen Bewegbild werden. Und manchmal – gemäß des Titels „Still-Leben“ eben auch in der Bewegung erstarrten, wie die Menschen auf dem Vorbild-Foto. Da froren die liegenden Körper mit hochgereckten Armen ein und lösten sich nach Minuten erst wieder. Bedrohungsszenarien (eine kleine Gruppe geht stoischen Ausdrucks auf die größere Gruppe zu) waren ebenso eingebaut wie solche der liebenden Zugewandtheit in einer Umarmung. Zeitlupentempo wechselte zu dynamischen Einheiten.

Das Publikum rätselte über das beschriebene Foto oder wurde mal von der als Reihe aufgestellten Tänzermenge unverwandt angestarrt. Die Vorstellung irritierte und löste neue Erfahrungen aus, ganz so, wie es ein zwischengeschalteter Erklärtext auf Englisch als Programm formuliert hatte: Die Stadt hat sich bewegt.

info „Still lives“ in der Fabrik – Wiederholung heute, 20 Uhr.

(Von Hanne Landbeck)

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