Tanzparcour durch die Stadt Bern
Von Magdalena Nadolska. Aktualisiert am 21.10.2009
50 Bernerinnen und Berner stehen am Wochenende im Rahmen des Festivals «Tanz In. Bern» auf der Bühne. Von der demokratischen Arbeitsweise im Projekt «Still Lives – Bern» profitieren die Laien ebenso wie die Profis.
Choreografie zu einem ungewöhnlichen Soundtrack: Berner Laientänzerinnen und -tänzer bei der Probe zu «Still Lives».
«Was sagen Sie zu dieser Fotografie?» Vier Tage lang ging das Künstlerkollektiv «Good Work» durch die Strassen Berns und zeigte Passanten «Stumbling Block» – eine Fotoarbeit des kanadischen Künstlers Jeff Wall, die urbanes Leben in der Moderne thematisiert. Isabelle Schad, Bruno Pocheron und Hanna Hedman von «Good Work» nahmen die Interviews auf, bearbeiteten sie und schnitten sie zu einer Klangkulisse zusammen. Parallel dazu wurde im Rahmen eines Workshops eine choreografische Performance zu diesem ungewöhnlichen Soundtrack auf die Beine gestellt.
Das Resultat ist am Wochenende in der Dampfzentrale zu erleben: Rund 50 Laiendarsteller aus dem Raum Bern stehen mit professionellen Tanzschaffenden auf der Bühne. Für das Publikum entsteht ein Ort der Imagination: Obwohl das Bild von Jeff Wall bei der Vorstellung nie zu sehen sein wird, soll es dank den Beschreibungen der Passanten und der Choreografie langsam vor dem geistigen Auge des Zuschauers Gestalt annehmen.
Kontraste zeigen
Das Projekt «Still Lives» wurde von «Good Work» bereits in über zehn Städten Europas durchgeführt. «Wir lernen über die Interviews die Stadt und ihre Einwohner kennen. Es ergibt sich ein kleines Porträt», so die deutsche Choreografin und Tänzerin Isabelle Schad. «In Bern waren die Interviews sehr spektakulär und inhaltsreicher als zum Beispiel in Zürich, wo sich die Menschen viel zurückhaltender zeigten und keine Emotionen preisgaben.»
Der französische Licht- und Sounddesigner Bruno Pocheron ergänzt: «In Bern gab es auch viele Leute, die Jeff Wall kannten und sich kritisch und analytisch über das Foto äusserten.» So unterscheiden sich die Städte und die Menschen, die in ihnen wohnen: In Bukarest gab es ein besonders starkes Bedürfnis, über politische Ereignisse zu sprechen und in Halle war deutlich der DDR-Hintergrund spürbar.
Die Auswahl der Antworten für die Klangkulisse soll kein «Best of» der jeweiligen Stadt liefern, sondern Kontraste aufzeigen: «Eher langweilige Interviews können im Kontext einer anderen Antwort plötzlich spannend werden», erklärt Pocheron.
Gegenseitiges Lernen
Dem Aufruf zum Workshop folgten in Bern Laientänzer zwischen 20 und 60 Jahren. Diese heterogene Gruppe arbeitete mit den Profis während zehn Tagen an der Performance. Dabei wurden sowohl Schritte der Choreografinnen kopiert, als auch eigene Bewegungen gesucht. Im Vordergrund stand dabei die Arbeit am eigenen Körperbewusstsein. Die schwedische Tänzerin und Choreografin Hanna Hedman betont das «Learning by teaching» im gemeinsamen Workshop: «Das Projekt stellt keine «One-Way-Pädagogik» dar. Wir lernen auch sehr viel und profitieren von der Arbeit mit den Laien.» So gibt es denn auch von beiden Seiten ein positives Feedback. Der Probenprozess ist den Beteiligten ebenso wichtig wie der Auftritt auf der grossen Bühne der Dampfzentrale.
(Berner Zeitung)